WAIBROsports – damit Blinde und Sehbinderte auch Laufsport machen können

Hallo Katerina, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für ein Interview mit uns nimmst ! Bitte stelle uns zu Beginn Dich und Dein Team bei WAIBROsports kurz vor:

Mein Name ist Katerina Sedlackova, ich arbeite als UX Designerin und lebe mittlerweile in Graz. Da ich schon länger als Begleitsportlerin für meine blinde Schwester und deren Freunde aktiv bin, kam mir die Idee zu einem Hilfsmittel für blinde und sehbehinderte Sportler. Anfang 2018 habe ich dann WAIBROsports ins Leben gerufen. 2019 habe ich dann ein Einzelunternehmen gegründet. Nach mittlerweile über zwei Jahren, seit dem Projektstart ist unser Team auf vier Personen gewachsen. Wir kommen zwar aus verschiedenen Branchen (Technik, Design, Sport), aber wir haben alle eines gemeinsam: Uns verbindet die Freude an der Bewegung im Freien!

Vielleicht möchtest Du uns Euer Startup, ganz zu Beginn unseres Interviews, kurz vorstellen ?

Wir bei WAIBROsports entwickeln einen Gurt, der blinden und sehbehinderten Sportlern im ersten Schritt eine unabhängige Nutzung von Sportlaufbahnen ermöglichen soll, in weiterer Folge sollen auch andere Sportarten folgen. Da diese momentan meist noch auf BegleitsportlerInnen angewiesen sind.

Durch eine Kamera im Gurt werden die Linien auf Sportlaufbahnen erkannt, und zum gleichen Zeitpunkt auch die Position des Läufers/der Läuferin in der Spur. Über Vibrationsimpulse wird der/die sehbehinderte Sportler/In in der Laufrichtung korrigiert und im Streckenverlauf navigiert.

Welches Problem wollt Ihr mit WAIBROsports lösen ?

Da ich selbst als Begleitsportlerin für meine blinde Schwester und andere Freunde aktiv bin, ist mir die Problematik bekannt: Zahlreiche Sportarten sind für blinde und sehbehinderte SportlerInnen nicht ohne Begleiter möglich. Fällt dieser jedoch spontan aus, ist auch das Ausüben der Sportart für die Sportler nicht mehr möglich. Wir wollen mit unserem WAIBRObelt eine selbstständige und von Begleitsportlern unabhängige Ausübung von Sport für Blinde und Sehbehinderte ermöglichen.

Wie ist die Idee zu WAIBROsports entstanden ?

Gemeinsam mit meiner kleinen Schwester Zuzi nahm ich im Winter 2016 an einem Langlauf-Wettbewerb für Blinde und Sehbehinderte in der steirischen Ramsau teil. Ich stellte mir die Frage, ob es machbar ist, Zuzi und anderen blinden Sportlern in Zukunft das Ausüben von Sport und Wettbewerben ohne einen Guide zu ermöglichen. Mich ließ dieser Gedanke nicht mehr los, ich begann zu recherchieren, ob es Hilfsmittel dieser Art schon auf dem Markt gibt oder nicht.

Wie würdest Du Deiner Großmutter WAIBROsports erklären ?

Wir entwickeln einen Gürtel, der mithilfe von Kameras und moderner Technik blinden und sehbehinderten Sportlern helfen soll, ohne Begleitung auf einer Laufbahn sporteln zu können.

Hat sich Euer Konzept seit dem Start irgendwie verändert ?

Das Konzept hat sich seit dem Start sehr verändert und entwickelt sich immer weiter. Zu Beginn wurde der WAIBRObelt für den Langlaufsport konzipiert. Aber um die technischen Hürden zu verringern und die Sicherheit der Benutzung zu erhöhen entschieden wir uns, den WAIBRObelt vorerst für das Laufen auf Laufbahnen zu entwickeln. Dies ist die perfekte Umgebung für eine sichere Produkteinführung.

Wie funktioniert Euer Geschäftsmodell ?

Wir verkaufen einerseits den WAIBRObelt, welcher aus zwei Komponenten besteht.

Der Steuereinheit und dem Gurt selbst. Dieser wird in zwei Größen und auch unabhängig von der Steuereinheit (dem Computer mit der Bildverarbeitung) verfügbar sein.
Zum Gurt wird es pro Nutzer noch ein monatliches Abo zur Softwarelizenz geben. Dieses soll sicherstellen, dass wir die Software, welche für die Bilderkennung zuständig ist, stets verbessern, auf dem neusten Stand halten und für weitere Anwendungen weiterentwickeln können.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen ?

Ich würde nicht wirklich sagen, dass etwas so richtig schief gegangen ist. Es ist aber eher deutlich anders gelaufen als erwartet. Bislang war einiges ungeplantes und ich denke, es wird in Zukunft noch Unerwartetes auf uns zukommen. Ich versuche mir immer wieder die Frage zu stellen, ob alles so läuft wie es sollte und Problemquellen so früh wie möglich zu evaluieren, um so große Pannen zu vermeiden. Falls dann doch noch etwas anders verläuft, muss man dann flexibel genug sein und einen Plan B, C oder D in petto haben.

Im Studium war das Credo „Die erste Idee ist niemals die Beste!“. Das trifft auch in der Realität oft zu. Wir müssen uns auch regelmäßig von Plan A verabschieden, da dieser oft eine Idealvorstellung ist.

Was habt Ihr daraus gelernt ?

Ein Startup ist ein kontinuierlicher Lernprozess. Wenn du etwas Neues entwickelst, weißt du nie, was auf dich in der Realität zukommen wird. Du musst stets flexibel sein, neue Lösungen suchen und du darfst den Glauben an dich selbst nie verlieren, wenn es eine Zeit lang nicht besonders vielversprechend läuft.
 

Und wo habt Ihr bisher alles richtig gemacht ?

Ich habe einiges dazugelernt, was das Schreiben von Förderanträgen betrifft. Aber auch sehr viel auf der menschlichen Ebene, wie zum Beispiel in Menschen zu vertrauen oder wie ich besser meine Begeisterung, Vision und Motivation für WAIBRO teilen kann, um die Leidenschaft im Team für unser Vorhaben am Leben zu halten.

Wie ist Euer Startup finanziert ?

Unser Vorhaben wurde/wird bereits durch ein Volumen von ca. 314.000 €
von der FFG, die Forschungsförderungsgesellschaft, die aws (Austrian Wirtschaftsservice), das A-Plus-B Scale-Up Programm sowie durch eine private Stiftung und Preisgeldern unterstützt. Die unterschiedlichen Förderungen erlauben es uns einerseits den WAIBRObelt zur Marktreife zu entwickeln und andererseits aber auch, uns nochmals neu mit den Problemen unserer Zielgruppe zu befassen, um einen nahtlosen und wahrhaftig barrierefreien Zugang zum Sport schaffen zu können. Ohne diese Förderstellen wäre die Umsetzung nicht machbar. Dafür sind wir äußerst dankbar! Um den finalen Markteintritt und die Produktionskosten finanzieren zu können, werden wir in den nächsten Monaten beginnen, uns nach potenziellen Investoren umzusehen.


Was sind Eure Pläne und Ziele für die nächsten 12 Monate ?

Im Dezember 2020 möchten wir unseren nächsten Produkt-Prototypen in der Hand halten, um ihn im darauffolgenden Frühjahr mit Probanden testen zu können. Danach heißt es für uns, am Bug-Fixing und an der Marktreife und Serienreife zu feilen. Im Mai 2021 würden wir gerne unseren Prototypen auf der Hilfsmittel-Messe in Frankfurt präsentieren. Eine Crowdfunding Kampagne ist ebenso geplant, welche uns helfen soll, die erste Vorserie zu fertigen. Es stehen uns definitiv spannende 12 Monate bevor.

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